Grundsteuerreform: Ein Plan B tut not

Bundesverfassungsgericht Karlsruhe
(Quelle Wikipedia.de)

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 10.04.2018 eine zweistufige Frist eingeräumt.

Bis zum 31.12.2019 muss ein neues Grundsteuergesetz verabschiedet sein; die Umsetzung hat innerhalb eines fünfjährigen Zeitraumes zu erfolgen. Mit Blick auf den Gesetzgebungsprozess ist jeder dieser Fristen mit Unsicherheiten behaftet:

a) Frist bis zum 31.12.2019

Ob es gelingt, die Frist bis zum 31.12.2019 einzuhalten, hängt von mehreren Umständen ab, die noch nicht sicher vorherzusagen sind. Vor dem Hintergrund der Entwicklungen in SPD und CDU/CSU ist es keinesfalls garantiert, dass die Große Koalition bis zum Jahresende noch besteht. Zudem muss im Rahmen des Gesetzespaketes noch eine Grundgesetzänderung auf den Weg gebracht werden, für die die Stimmen aus FDP und den Grünen benötigt werden. Schließlich stößt insbesondere die Reform des Bewertungsrechts auch auf verfassungsrechtliche Zweifel (s. unten). Diese könnten sich ebenfalls verzögernd auswirken. Sollte der Termin 31.12.2019 aber nicht zu halten sein, würden die Kommunen vor einem finanziellen Desaster stehen. Dies wäre ohne weitere Maßnahmen selbst dann der Fall, wenn zügig ein Freigabegesetz beschlossen würde. Ob Bund und Länder zu einer Kompensation der Einnahmeausfälle Willens und fähig wären, ist dabei vollkommen offen. Einschränkungen der Kommunen auch bei ihren freiwilligen Leistungen sind nicht akzeptabel.

b) Umsetzungsfrist bis 31.12.2024

Die Reform des Bewertungsrechts knüpft stark an die Bewertungsverfahren nach ImmoWertV an. Die Folge ist eine erhebliche Komplexität, die nur zu bewältigen ist, wenn die Digitalisierung von Kataster- und Finanzverwaltung in entsprechender Geschwindigkeit erfolgt. Angesichts eines leergefegten Arbeitsmarktes für entsprechende Spezialisten, der Notwendigkeit des Anlernens und der derzeitigen personellen Ausstattung der Bewertungsstellen in den Finanzämtern ist Zweckoptimismus sicherlich ein schlechter Ratgeber. Auch wenn das Gesetzesvorhaben also bis zum 31.12.2019 beschlossen werden kann, ist die Umsetzung innerhalb der anschließenden Fünfjahresfrist keineswegs gesichert.

Risiken erwachsen schließlich auch daraus, dass das Gesetzesvorhaben auf verfassungsrechtliche Zweifel stößt:

Das Bundesverfassungsgericht forderte in seinem Urteil vom 10.04.2018, dass die Gestaltung der Bemessungsgrundlage den Belastungsgrund der Steuer erfassen und die Relation der Wirtschaftsgüter realitätsgerecht abzubilden vermag. Was den Belastungsgrund angeht, verweist der seit Ende Juni vorliegende Gesetzentwurf des Bundesfinanzministers auf die durch den Grundbesitz vermittelte „objektive Leistungsfähigkeit“. Dieser Belastungsgrund ist folgerichtig zu erfassen. Dies bedeutet, dass die Struktur der Grundsteuerwerte nicht ohne triftigen Grund von der Struktur der Verkehrswerte abweichen darf. Die Unterschiede der Verkehrswerte wiederum hängen maßgeblich von den Standortwerten ab. Im Gesetzentwurf ist jedoch beabsichtigt, die Bewertung von Wohngrundstücken im Wesentlichen anhand von gemeindeweiten Durchschnittsmieten vorzunehmen. Für zwei Gebäude gleichen Typs, gleicher Größe und gleichen Alters innerhalb ein und derselben Gemeinde kennt der Gesetzentwurf also nur eine Miete. Der Bodenwert, welcher Lagequalitäten abbildet, geht im Regelfall nur schwach, weil in abgezinster Form in die steuerliche Wertermittlung (vereinfachtes Ertragswertverfahren) ein. Die Folge:

  • Die angesetzte Durchschnittsmiete bewirkt im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens, dass lagebedingte Wertunterschiede sehr stark eingeebnet werden. Diese spielen bei der grundsteuerlichen Bewertung damit eine deutlich geringere Rolle als bei der Verkehrswertermittlung.
  • Ähnlich wie bei der Flächensteuer bewirken die Durchschnittsmieten, dass Immobilien in guten Lagen (tatsächliche / übliche Miete > Durchschnittsmiete) zu gering, solche in schlechten Lagen (tatsächliche / übliche Miete > Durchschnittsmiete) tendenziell zu hoch belastet werden.
  • Hierdurch wird systematisch eine regressive Belastungswirkung bei Wohnimmobilien erzeugt.

Ob diese regressive Belastungswirkung durch die beabsichtigte Vereinfachung (Ziel: vorausgefüllte Steuererklärungen) zu rechtfertigen ist, ist vollkommen offen. Das Ziel einer realitäts- und relationsgerechten Bewertung wird so für Wohngrundstücke jedenfalls verfehlt.

Bei Nichtwohngrundstücken, die in einem vereinfachten Sachwertverfahren bewertet werden sollen, besteht dieses Problem (v.a. aufgrund von differenzierten Wertzahlen) hingegen nicht. Hier wird also mit zweierlei Maß gemessen.

Schließlich werden besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale, die im Einzelfall einen erheblichen Einfluss auf den Verkehrswert haben können, im steuerlichen Verfahren überhaupt nicht berücksichtigt (weder bei Wohn- noch bei Nichtwohngrundstücken). Auch existiert keine Escape-Klausel, über die der Steuerpflichtige einen niedrigeren Verkehrswert nachweisen könnte.

Allerdings wäre eine solche Escape-Klausel ebenfalls kein geeignetes Mittel, um den oben angesprochenen systematisch regressiven Belastungswirkungen bei Wohngrundstücken zu begegnen.

Die grundsteuerliche Bewertung dürfte – nicht nur bei Wohnimmobilien – noch auf weitere Schwierigkeiten bei der praktischen Anwendung stoßen (z.B. Festlegung der Restnutzungsdauer bei An- und Umbauten sowie umfassenden Modernisierungen); ich spare mir diesbezüglich aber weitere Ausführungen.

Entscheidend ist, dass auch das jetzt in den Gesetzgebungsprozess eingebrachte Verfahren trotz seiner Komplexität alles andere als verfassungsmäßig sattelfest ist. Hierdurch kann ein Risiko schon im Gesetzgebungsverfahren und später ein latentes Risiko bei der Anwendung des neuen Bewertungsrechtes entstehen.

Zumal das Gesetzespaket mit der Öffnungsklausel aber den Ländern auch die Möglichkeit eröffnet, eigene Wege zu gehen, ist es angesichts der ansonsten drohenden Einnahmenausfälle verständlich, wenn die Bundesländer das Vorhaben im Bundestag „durchwinken“.

Nicht verständlich wäre es jedoch, wenn Länder und Kommunen es dabei belassen und sich ansonsten einfach zurücklegen – in der Hoffnung, dass schon alles gut gehen möge. Vielmehr sollte an einem Plan B gearbeitet werden. Dies findet in bestimmten Ländern offensichtlich auch schon statt (so in Hessen). Allerdings wäre es unverantwortlich, im Rahmen eines Plan B auf das – von einigen Ländern bevorzugte – Flächenmodell zu setzen:

  • Das Flächenmodell negiert das Leistungsfähigkeitsprinzip (als ein Fundamentalprinzip der Besteuerung) vollkommen.
  • Es beruht auf dem Prinzip der Kostenäquivalenz: Dabei wird Kostenäquivalenz als Belastungsgrund für eine Steuer in der Steuerrechtswissenschaft als vollkommen ungeeignet angesehen.
  • Die Äquivalenzzahlen, mit denen das Kostenäquivalenzprinzip umgesetzt werden soll, sind willkürlich. Niemand kann genau sagen, was diese überhaupt abbilden sollen und warum sie in der derzeit diskutierten Höhe festgesetzt werden.
  • Die Flächenermittlung im Rahmen der Immobilienbewertung ist – entgegen den öffentlich von interessierter Seite vorgetragenen Behauptungen – alles andere als einfach. Um das Modell handhabbar zu machen, wären daher sehr grobe Vereinfachungen notwendig, die wahrscheinlich auch nicht mehr mit der Typisierungsbefugnis im Rahmen eines Massenverfahrens vereinbar wären.

Mit der Flächensteuer im Rahmen eines Plan B würde man auf eine ebenfalls rechtlich sehr riskante und zudem umstrittene Grundsteuervariante setzen.

Als einzige Möglichkeit für einen Plan B bietet sich die Besteuerung des Bodenwertes an. Es wurden bereits Grundzüge für ein Bodenwertsteuergesetz veröffentlicht (DStR 2019, 537), das damit sehr schnell auch in ein Landesgesetz gegossen werden könnte. Der Steuerpflichtige hat zwei Angaben zum Grundstück zu machen: Bodenwert und Bodenfläche. Diesbezüglich wäre auch eine Digitalisierung sehr schnell möglich, so dass man kurzfristig vorausgefüllte Steuererklärungen verwenden könnte. Für den Fall, dass die Bodenwertsteuer alleine politisch nicht konsensfähig ist, könnte an die Zumischung einer Bodenflächen- anstatt einer Gebäudekomponente gedacht werden (Difu-Modell).

Eine Bodensteuer ist rechtssicher einzuführen. Sie stellt eine wichtige Weiche für eine künftig stärkere steuerliche Belastung der Nutzung von Land und Natur, anstatt von Arbeit, Verbrauch und produktiven Investitionen – darunter auch Wohnraum. Sie trägt dazu bei, den Boden zu „entkapitalisieren“; damit dämpft sie die Bodenwerte und zieht auch der Spekulation den Zahn. Ungenutzte oder untergenutzte Grundstücke werden in die Nutzung getrieben; die Planung wird unterstützt.  Aus diesem Grunde wäre ernsthaft zu erwägen, ob nicht auch im Rahmen der Öffnungsklausel auf die Bodenwertsteuer zurückgegriffen werden sollte.

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