Bund und Länder und SPD und CDU haben sich bei der Reform der Grundsteuer verhakt. Wertorientiertes Modell oder Flächensteuer, die Bodenwertsteuer scheint aus dem Rennen. Aber:
- beide vorgeschlagene Modelle werden eine Klagewelle nach sich ziehen und vom Verfassungsgericht kassiert werden.
- Wenn eine Öffnungsklausel beschlossen wird, dann wird die Debatte auf Länderebene weitergehen.
- Wenn bis Jahresende kein Gesetz beschlossen wurde, dann wird die Steuer vom Verfassungsgericht ausgesetzt. Da die Kommunen das Geld brauchen, muss sofort ein neues Gesetz beschlossen werden.
Deshalb halten wir fest an unserer Argumentation und fordern auf, folgenden Beitrag von Prof. Dirk Löhr und Michael von der Mühlen (Januar 2019) herunterzuladen und zu veröffentlichen:
Im April 2018 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Grundsteuer auf Grundlage der veralteten, auf 1964 (West) bzw. 1935 (Ost) basierenden Einheitswerte verfassungswidrig ist. Bis
Ende des laufenden Jahres muss der Gesetzgeber ein neues Regelwerk verabschiedet haben, danach verbleiben ihm fünf Jahre zur Umsetzung. Die anstehende Reform bietet eine einmalige Chance für eine nachhaltige Umgestaltung der Grundsteuer: Als Bodenwertsteuer. Die Bodenwertsteuer setzt lediglich am Wert des Bodens an, nicht aber der aufstehenden Gebäude. Insbesondere die derzeitigen Probleme auf dem Wohnungsmarkt sind zu einem erheblichen Teil auf Probleme des vorgelagerten Bodenmarktes zurückzuführen; dieser ist ein Flaschenhals, der die Schaffung bezahlbaren Wohnraum verhindert. Die Bodenwertsteuer wirkt unmittelbar auf den Bodenmarkt ein:
Planerisch. Eine Bodenwertsteuer entfaltet Nutzungsdruck. Sie belastet auch unter- und ungenutzte Grundstücke so, als wären sie entsprechend den planerischen Vorgaben bestmöglich genutzt. Sie wirkt darauf hin, die planerisch gesetzten Vorgaben zu beachten, und das knappe Gut Fläche effizient zu nutzen. Die Bodenwert-steuer erhöht auch die Mobilität auf dem Bodenmarkt; etwaige Planungsfehler können leichter als heute korrigiert werden. Die Bodenwertsteuer befördert die Umnutzung von Brachen und dysfunktional genutzten Flächen. Sie begünstigt innerstädtisches Wohnen und bremst Zersiedlung in der Peripherie. Diese Wirkungen sind von besonderer Bedeutung für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Gerade angesichts einer insgesamt eher stagnierenden Bevölkerungsentwicklung in Deutschland kommt dem Ziel einer kompakten und gemischten Stadt, in der auch die öffentliche Infrastruktur optimal ausgenutzt wird, zentrale Bedeutung zu.
Ökonomisch. Kein privater Eigentümer hat den Wert seines Bodens gemacht. Der Bodenwert ist das Ergebnis öffentlicher Bereitstellungsleistungen (technische und soziale Infrastruktur, Baurecht etc.), auf deren Grundlage überhaupt erst Agglomerationen entstehen können. Die Städte müssen Infra-strukturleistungen unabhängig davon bereitstellen, ob die Eigentümer der erschlossenen Grundstücke ihre Baurechte ausüben oder nicht. Die Bodeneigentümer profitieren hiervon häufig, ohne nennenswerte Gegenleistungen an die Kommune zu erbringen. Die Bodenwertsteuer „ entkapitalisiert“ den Boden. Sie senkt die Bodenpreise und macht Bodenspekulation unattraktiv.
Heutzutage verteuert die Jagd auf die leistungslosen Erträge und Wertsteigerungen den Boden, was zu Lasten der baulichen Investitionen geht. Anders als herkömmliche Grundsteuern, die v.a. das Gebäude belasten, wird durch die Bodenwertsteuer der bestehende sowie die Errichtung zusätzlichen Wohnraums nicht verteuert. Ganz im Gegenteil trägt sie zu einem höheren Angebot an Wohnraum bei. Wenn Kosten und Nutzen auseinanderfallen, versagen Märkte – so auch der Bodenmarkt. Die Bodenwertsteuer wirkt dem entgegen, indem sie Bodenerträge und Bodenwerte wenigstens teilweise an diejenigen zurückführt, die sie geschaffen haben: Die Gemeinschaft.
Sozial. Mit der Niedrigzinsphase der letzten Jahre schossen die Bodenerträge und Bodenpreise nach oben. Die Bodenwertsteuer schöpft einen Teil hiervon zugunsten der Allgemeinheit ab. Weil sie die Bodenpreise reduziert, ergeben sich für die Kommunen Spielräume, bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Freigemeinnützige Investoren oder Genossenschaften, die ihre Wohnungen aus freien Stücken zu Mieten anbieten, die deutlich unterhalb des Marktniveaus liegen, müssten allerdings teilweise von der Steuer befreit werden. Die Bodenwertsteuer stimuliert jedoch auch das Angebot auf dem frei finanzierten Wohnungsmarkt; ein höheres Angebot wirkt jedoch Mietsteigerungen entgegen.
Gerade bei Mehrfamilienhäusern, in denen sich der größte Teil der Mietwohnungen und der Wohnungen von Kleineigentümern befindet, verteilt sich zudem die Bodenwertsteuer auf ent-sprechend viele Wohneinheiten, so dass im Durchschnitt kompaktes Wohnen entlastet wird. Zudem ist der Bodenwertsteuer eine Überwälzung auf den Mieter systemfremd: Der Grundstücks-eigentümer profitiert über die Bodenwerte von der Bereitstellung öffentlicher Leistungen, und auch der Mieter zahlt an den Grundstückseigentümer, um die hierdurch eröffneten Möglich-keiten nutzen zu können (für die konkrete Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen werden hingegen Gebühren entrichtet).
Daher ist die Bodenwertsteuer vom Wesen her eine Eigentümer-steuer. Auch ökonomisch ist sie wesentlich schwerer als eine verbundene Steuer (die Gebäude in die Bemessungsgrundlage einbezieht) zu überwälzen. Trifft die Grundsteuer das Gebäude, können die Eigentümer solange Investitionszurückhaltung üben, bis die Verknappung entsprechende Mieterhöhungen erlaubt – die
Steuer wird dann vom Mieter getragen. Einer Besteuerung des Bodens hingegen kann der Grundstückseigentümer nicht ausweichen – er befindet sich hier in einer schwächeren Position.
Die Bodenwertsteuer differenziert stärker als alle anderen Steuern nach Lagen. Sie bewirkt – bezogen auf den Marktwert der Immobilie – eine progressive Steuerbelastung. Dies wird (insbesondere vor dem Hintergrund der noch bestehenden Umlagefähigkeit der Grundsteuer) allerdings teilweise auch als problematisch angesehen. Solange die Umlagefähigkeit der Grundsteuer noch fortbesteht, kann es in einigen hochpreisigen Bereichen großer Städte zu Mehrbelastungen der Mieter kommen. Hier bietet es sich an, die Differenzierung durch eine Bodenflächenkomponente – anstatt durch eine Gebäudekomponente – zu dämpfen („ Difu-Modell“ ).
Schließlich ist die Bodenwertsteuer einfacher zu implementieren als alle anderen Reformvarianten. Die Grundstücksflächen (Bodenflächen) sind bekannt. Bodenrichtwerte stehen flächendeckend zur Verfügung (wenngleich in manchen Ländern noch qualitative Verbesserungen erforderlich sind).
Für die Sicherung der kommunalen Einnahmen ist die Grundsteuer eine bedeutende Einnahmequelle. Das Steueraufkommen aus einer Bodenwertsteuer darf daher nicht hinter dasjenige der aktuellen
Grundsteuer zurückfallen.
weitere Informationen unter
www.bodenwersteuer.org
www.neuegeldordnung.de
Diesen Text als Pdf zum Downloaden
Veranstaltungen zum Thema:
03.06.2019 – 19.00 Uhr Club Voltaire Frankfurt
03.06.2019 – 19.00 Uhr Rathaus Wiesbaden
Nähere Ausführungen von Prof. Dr. Löhr zu den Konsequenzen eines Scheiterns eines neuen Grundsteuergesetzes zum Jahresende 2019:
„Drohender Grundsteuer-GAU“